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Blaue Tiefen und unendliche Weiten – Meeresforschung offenbart Unbekanntes
Meeresforscher der Universität Hawaii nutzen eine JENOPTIK GRYPHAX®-Kamera, um ihre Entdeckung einer neuen Art der Tiefsee-Bambuskoralle zu dokumentieren – Einblicke in die Anwendung einer ALTAIR-Kamera von Jenoptik für die Ozeanographie.
, Stefan SeidleinDie Phänomene unserer Ozeane zu verstehen, ist wichtig, denn sie haben weitreichende Auswirkungen auf unser Klima, unsere Gesundheit und Wirtschaft. Unsere Ozeane sind wahrscheinlich die am wenigsten bekannten und doch einer der wichtigsten Bestandteile unserer Erde.
Insbesondere für die in der Tiefsee verborgenen Forschungsobjekte, die nur von Forschungsschiffen aus erkundet werden können, war die Datenerhebung und Ozeanexploration in der Vergangenheit schwierig und teuer. Aus diesem Grund sind uns die Ozeane bis heute größtenteils unbekannt. Jedoch haben neue Technologien und innovative Beobachtungs- und Messsysteme einerseits sowie die zunehmende Erkenntnis über die Bedeutung der Ozeane für unser Klima und die Biodiversität andererseits zu einer enormen Aufmerksamkeit für die Meeresforschung geführt.
Robotersysteme und Sensorik unterstützen Meeresforscher dabei, Tiefseedaten in beispielloser Geschwindigkeit und Auflösung zu erheben. Die Ozeanographen kartieren die Merkmale des Meeresbodens und stoßen auf unbekannte geologische Formationen oder entdecken neue Spezies und dokumentieren marines Leben mit digitalen Werkzeugen.
Ozeanographen um den Meeresforscher Les Watling nutzen zahlreiche technologische Werkzeuge, wie z. B. eine Jenoptik-Kamera für die Erforschung der Tiefsee.
Wir durften den Wissenschaftler Les Watling in der JENOPTIK GRYPHAX® Community willkommen heißen, dessen Leidenschaft die Meeresforschung ist. Er ist Professor für Biologie an der Universität Hawaii in Mānoa und emeritierter Professor für Ozeanographie am Darling Marine Center der Universität Maine. Zur Erforschung und für ein besseres Verständnis der Tiefsee bricht er in regelmäßigen Expeditionen mit einem Team an Kollegen und jungen Studenten der Ozeanographie auf, um die Ökologie mariner Sedimentgemeinschaften, die globale Biogeographie von bathyalen und abyssalen Bereichen des Ozeans bis hin zur Taxonomie von kleinen Krebstieren und großen Tiefsee-Oktokorallen zu untersuchen.
Wir hatten die Gelegenheit, ihm ein paar Fragen zu stellen, die uns ein wenig mehr über seine spannende Arbeit und die Anwendung der JENOPTIK GRYPHAX®-Kamera für Aufgaben der Meeresforschung preisgibt.
Prof. Watling, in welchen Meeren dieser Welt sind Sie unterwegs und wieviel Zeit verbringen Sie auf dem Forschungsschiff als Meeresforscher?
Ich genieße es, auf See oder vorzugsweise tief im Meer unterwegs zu sein. In den letzten 40 Jahren habe ich an 28 Forschungsreisen im Atlantik, Pazifik, in der Antarktis und im Indischen Ozean teilgenommen. Ich war an unzähligen Tagen an Tauchgängen mit ferngesteuerten Fahrzeugen (ROVs) in Tiefen bis zu 4.000 m beteiligt. Meine Proben stammen zum größten Teil von Seebergen im Nordatlantik, aber meine Forschung dehnt sich auch auf Seeberge und Inselhänge in Hawaii und den angrenzenden Gebieten aus. Als Meeresforscher verbringt man relativ gesehen jedoch gar nicht so viel Zeit auf dem Schiff, wie man vielleicht vermuten würde. Unser Team ist alle paar Jahre einige Monate damit beschäftigt, Daten zu sammeln. Letztes Jahr gab es eine Expedition mit dem Forschungsschiff R/V FALKOR zu den Kaiserlichen Seamounts. Ich verbringe dann Zeit an meinem Schreibtisch, vor dem Computer, und analysiere die Daten und identifiziere die auf den Expeditionen gesammelten Exemplare. Die Bildanalyse, das Vermessen und Klassifizieren der Proben – zum Beispiel mit dem Messwerkzeug der JENOPTIK GRYPHAX®-Mikroskopkamera – und die Dateninterpretation sind alles wesentliche Tätigkeiten eines Ozeanographen, die an Land stattfinden.
Sie haben eine neue Art der Tiefsee-Bambuskoralle entdeckt und eine JENOPTIK GRYPHAX®-Kamera für deren Dokumentation und Analyse verwendet. Können Sie uns vielleicht etwas mehr darüber erzählen?
Am Nintoku-Seamount auf der Seamount-Kette Hawaiian-Emperor haben wir eine neue Spezies der Bambuskoralle in 1.490 m Tiefe entdeckt. Sie gehört zur Gattung der Lepidisis, einer Tiefsee-Bambuskoralle aus der Familie der Isididae. In der folgenden Bildaufnahme mit der JENOPTIK GRYPHAX®-Kamera ist ein 5 mm großer Polyp der neuen Spezies zu sehen. Die in das Gewebe eingebetteten kalkhaltigen Sklerite sind sichtbar, ihre Größe und Orientierung kann dank der tiefenscharfen Aufnahme der Kamera einwandfrei dokumentiert werden.
Welche Aspekte sind für Sie von besonderem Interesse aus der Perspektive eines Ozeanographen?
Meine Kollegen und ich interessieren uns besonders für die Ausbreitungsmodi von Tiefsee-Oktokorallen, ihre langfristige Evolutionsgeschichte und ihre Beziehungen zu den Wassermassen der Tiefsee. Da diese Tiere in Tiefen leben, die nur mit Tauchfahrzeugen oder ferngesteuerten Fahrzeugen erreichbar sind, muss vieles von dem, was in der Meeresforschung bekannt ist, durch Schlussfolgerungen gewonnen werden. Somit sind kleinste Bilddetails, die aufschlussreiche Ergebnisse hervorbringen können, für uns von besonderem Interesse.
Welche Schlussfolgerungen können das beispielsweise sein in der Ozeanographie?
Frühere bathyale Fauna wie Oktokorallen wurden entlang der Aleuten vor Nordjapan und auf Teilen des Hawaiianischen Rückens beprobt. Mit Hilfe von Strömungen, Kartierungen und Radioisotopen zur Verfolgung von Wassermassen – sowie der Untersuchung der Korallen – bestimmten wir die treibende Kraft hinter den Korallenverteilungen. Es gab signifikante Unterschiede zwischen den Organismen, die auf dem nördlichen und südlichen Teil der Seamount-Kette leben, und wir vermuten, dass Strömungen bei ihrer Verteilung eine Rolle spielen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Nordpazifische Zwischenwasser eine sehr wichtige Rolle bei der Korallenverteilung spielen könnte.
Welches Mikroskopieverfahren haben Sie für diese Aufnahmen der neuen Bamuskorallen-Art angewendet?
Wir haben die JENOPTIK GRYPHAX®-Kamera an ein Olympus Stereoskop angeschlossen und betreiben die Kamera an einem Windows 10 Notebook mit der im Lieferumfang enthaltenen JENOPTIK GRYPHAX®-Software. Die Aufnahme wurde bei 16-facher Vergrößerung mit der cross-polarization-Methode aufgenommen. Mehrere Einzel-Bilder wurden aufgenommen und mit Hilfe der Z-Stapel-Funktion der Bildaufnahmesoftware zu einem tiefenscharfen Bild kombiniert.
Mit diesem spannenden Einblick haben Sie sicherlich nicht nur uns inspiriert, sondern ganz bestimmt auch die nächste Generation von Ozeanographie-Studenten. Wir sagen ganz herzlich Dank, Prof. Les Watling.
Gegenwärtig arbeitet Les Watling an der Beschreibung der neuen Spezies und an der Zusammenstellung globaler Datenbanken für die GIS-Analyse der Verbreitung von Tiefsee-Oktokorallen (GIS – geographische Informationssysteme). Er hat bereits zwei Bücher über die Naturgeschichte von Krustentieren herausgegeben und arbeitet darüber hinaus mit NGOs zusammen. Aus der Überzeugung heraus, dass Wissenschaftler eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Meere spielen können, indem sie den NGOs die besten und neuesten wissenschaftlichen Informationen zur Verfügung stellen, tut er genau dies und versorgt NGOs mit wertvollen Daten für ihre Kampagnen.
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Bild 1 - © Les Watling, Schmidt Ocean Institute
Eine neue Spezies einer Bambuskoralle; das Bild wurde von Les Watling während einer Expedition auf dem Forschungsschiff R/V Falkor mit dem ROV SuBastian aufgenommen
Bild 2 - © Les Watling, Dept. of Biology/University of Hawaii at Manoa
Einzelner Polyp einer neuen Bambuskorallen-Art; die in das Gewebe eingebetteten kalkhaltigen Skleriten sind sichtbar, ihre Größe von 5 mm Länge und Orientierung kann dokumentiert werden
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Über Stefan Seidlein
Stefan Seidlein ist seit 2000 bei der Jenoptik in unterschiedlichen Positionen im Bereich Digital Imaging tätig. Als Produktmanager fokussiert er sich aktuell auf das Lichtmikroskopkamera-Produktportfolio und bringt seine gesamte Digital Imaging-Kompetenz und Erfahrung in Projekte ein. Den studierten Techniker mit Schwerpunkt auf Energietechnik und Prozessautomatisierung fasziniert die Digitalisierung und die sich daraus ergebenden vielfältigen Möglichkeiten für den Einzelnen und die Jenoptik.